Nachlese zum Gedenkstättenbesuch des Leistungskurses Geschichte

Es waren zwei wirklich bizarre Fotografien, welche sich nach unserem Besuch im Museum und der Gedenkstätte Hohenschönhausen in unser Gedächtnis eingebrannt hatten. Ein demaskierter Erich Mielke, der im Innenhof des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses auf einer Bank sitzend, ein Gefangener in seinem eigenen Gefängnis war. Eine Fotografie, die zeigt, dass einer der einflussreichsten SED-Schergen in dem Gefängnis saß, in welchem er Tausende unschuldige Menschen ihrer Würde beraubte, sie demoralisierte oder wie es in der abscheulichen Sprache der Staatssicherheit hieß “zersetzte”.

Eine zweite Fotografie zeigte Erich Mielke und Erich Honecker im Gerichtssaal des Kriminalgerichts Berlin-Moabit im Jahr 1992. Ein fester Händedruck, gleichgültige Mienen, von den Männern, welche die Staatssicherheit zum Repressiv- und Überwachungsorgan der DDR erheblich ausbauten. Honecker als auch Mielke wurden nie für ihr verbrecherisches Handeln einer gerechten Haftstrafe unterzogen. Für die Täter der DDR gab es kein Nürnberg.

Günter Holter begrüßte uns, als wir mit diesen Bildern im Kopf den Rundgang durch die Gedenkstätte begannen. Er, der 1982 aus der DDR ausgebürgert wurde, da er u.a. die Lügen des Politbüros nicht hinnahm, die fehlenden Menschenrechte einforderte und mit seinen Freunden Wolf Biermann und Jürgen Fuchs einen grundlegenden Wandel einforderte, zeigte uns gleich am Anfang das sogenannte U-Boot, in welchem anfangs noch unter der sowjetischen Geheimpolizei, brutale, unmenschliche Haftbindungen herrschten. Mit diesem Ort ist auch das Schicksal seines Onkels verbunden, der sich als Inhaftierter mit weiteren zehn bis elf Häftlingen jene enge, verdunkelte Zelle teilen musste. Anschließend wurde er in einen der zahlreichen stalinschen Gulags verschleppt, um dort einen jähen und einsamen Tod zu sterben.

Günter Holter führte uns dann in den Neubau der ehemaligen Haftanstalt, dort, wo die Schikane, die Folter, die Erniedrigung, die Entmenschlichung und der Terror des DDR-Regimes tagtäglich gelebt wurde. Wie gnadenlos die Staatssicherheit mit den Inhaftierten umging, dokumentieren zahlreiche Quellen, Verhörprotokolle, die deutlich machen, wie ein Staat seine Kritiker*innen malträtierte. Außerschulische Lernorte sorgen eben genau für jene notwendige Konfrontation mit der Geschichte. Sie erzeugen genau diese Aura der Authentizität (vgl. Pierre Nora) und schaffen dadurch vor allem eine originale Begegnung zwischen den Lernenden, dem Ort und den Menschen, die mit ihrer Erfahrung und Expertise den Ort erfahrbar machen. Wir danken Jürgen Holter für diese beeindruckende und nachhallende Begegnung.

„Die Nacht ist gespalten / sie ist grün / sie ist ein Baum / hoch über den Straßen / sie ist hell / sie blendet nicht / dort ist ein Weg / ich gehe / ich winke / kein kommandiert mich / wenn ich innen lebe / ganz innen / gibt es Wege / und Worte / und eine Antwort / die nicht zuschlägt.“

(entnommen aus: Fuchs, Jürgen: Vernehmungsprotokolle – November `76 bis September `77, Berlin 2018, S. 110/ Eintrag 12.04.1977.)
R.E.